Freitag, 30. November 2012

Die Auswerterin - Elk von Lyck

Die Auswerterin - Elk von Lyck
BoD
ISBN: 9783844816143
132 Seiten
England 1944. Die Auswerterin Emily Brown begibt sich unter einem Vorwand in das Büro des Oberbefehlshabers der britischen Luftstreitkräfte. Sie hat ein dringendes Anliegen, denn sie möchte erreichen, dass Arthur Harris den Befehl für einen Bombereinsatz ändert. Emily hat bei der Analyse diverser Fotos von Aufklärungsflügen eine Aufnahme von Auschwitz entdeckt. Was sie zuerst für Fabrikschornsteine hielt, entpuppt sich zu ihrem Entsetzen als Krematorium. Emily erkennt, dass hier massenhaft Menschen umgebracht werden, und sie ist der Meinung, man sollte die Bahngleise vor Auschwitz zerstören, um weitere Menschentransporte zum Lager und somit die Massenmorde dort zu verhindern.  Als Emily merkt, dass ihr Gesuch bei Harris auf taube Ohren stößt, bedroht sie ihn mit einer Waffe, bis er aus Angst um sein Leben den Befehl zu einer Änderung der Koordinaten gibt. Emily möchte sicher gehen, dass die Order auch wirklich ausgeführt wird und bleibt deshalb bei Harris. In den folgenden Stunden führen sie ein eindringliches Streitgespräch, bei dem jeder vehement seinen Standpunkt zur Lage vertritt. Wieso sträubt sich Harris so sehr, das Lager zu bombardieren? Ganz sicher nicht aus Sorge um die Gefangenen dort. Während des Wartens stellt sich heraus, dass er letztendlich sehr egoistische Beweggründe hat. Wird es Emily gelingen, etwas Entscheidendes zu erreichen?

Der intensiven Dialog zwischen Emily und Harris nimmt den größten Teil des Buches ein. Dazwischen sind mehrere Szenen eingefügt, die dem Leser die Eindrücke eines Piloten bei seinem Aufklärungsflug vermitteln, und man lernt einen kleinen Jungen kennen, der urplötzlich, zusammen mit der Familie und vielen anderen Menschen, seine Heimat verlassen muss. Nach und nach werden auch die Zusammenhänge klar. Diese weiteren Handlungsstränge erweisen sich als Rückblicke, die zu der speziellen Situation in Harris’ Büro hinführen.
Elk von Lycks detaillierte Ausführungen lassen auf sein fundiertes Wissen und eine sehr intensive Recherche schließen. Viele der Fakten, die Emily im Gespräch mit Harris erwähnt, sind durchaus nicht der Fantasie des Autors entsprungen, sondern es handelt sich um belegte Tatsachen, wie ich sehr bald bei eigenen Nachforschungen erkennen konnte. Das fand ich besonders erschreckend, denn wenn man erfährt, was alles den Alliierten bereits bekannt war, fragt man sich, ob nicht durch früheres Eingreifen viele Menschen hätten gerettet werden können. Man kommt ins Grübeln, was wohl die Beweggründe damals waren, offensichtlich hilfreiche oder sinnvolle Aktionen auf die lange Bank zu schieben oder auch ganz zu unterlassen. Je mehr man über die Hintergründe erfährt, die zu den damaligen Verhältnissen geführt haben, umso sinnloser kommt einem dieser grausame Krieg vor. Dabei ist die Geschichte weit entfernt von Schwarz-Weiß-Malerei, denn sowohl Täter als auch Opfer gab es bei allen beteiligten Nationen.
Das Buch rüttelt auf, und es ist ein starkes Plädoyer für Toleranz und gegenseitiges Verständnis.
Es animiert, nicht alles als gegeben hinzunehmen, sondern die Dinge auch einmal zu hinterfragen. Emilys Sichtweise liefert interessante und wichtige Denkanstöße. Was damals geschehen ist, lässt sich heute nicht mehr ändern, aber man kann neu darüber nachdenken und die Vorgehensweise in Frage stellen. Das Erörtern dieses nach wie vor brisanten Themas ist wichtig, damit wir uns auch heute nicht auf einer vorgefaßten Meinung ausruhen, egal bei welchem Problem. Mutige Menschen wie Emily braucht es zu allen Zeiten, denn sie können die Welt verändern, sei es auch nur in winzigen Etappen, aber viele kleine Schritte führen letztendlich auch zum Ziel. 

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