Dienstag, 26. April 2011

Das Evangelium nach Pilatus / Eric-Emanuel Schmitt


Dieses Hörbuch habe ich ganz bewusst für die Passionszeit und die Ostertage gewählt, da mich das Thema alljährlich in dieser Zeit besonders bewegt. Burghart Klaußner liest diese Erzählung sehr ernst und eindrucksvoll.

Sie teilt sich in zwei große Abschnitte auf.

Im ersten Teil hält der Ich-Erzähler Jeshua (Jesus) Rückblick auf sein Leben. Es ist die Nacht auf dem Ölberg, vor der Kreuzigung, und er erinnert sich an seine Kindheit und wie alles begann. Die Gedanken des zum Tode Verurteilten sind sehr persönlich und berührend. Sie zeigen Jeshuas menschliche Seite und die innere Zerrissenheit, die Zweifel, ob er alles richtig gemacht hat und auch seine Ängste.
Interessant ist die Theorie, dass es Jeshua lange nicht bewusst war, Gottes Sohn zu sein, sondern dass er sich selbst am Anfang als ganz normalen Menschen gesehen hat. Die Erkenntnis der Göttlichkeit stellte sich erst nach und nach ein und bestätigte sich durch mehrere einschneidende Erlebnisse. Was wir über die damaligen Ereignisse wissen, kennen wir größtenteils aus dem Neuen Testament. Hier erscheint nun vieles plötzlich in einem ganz neuen Licht, wie beispielsweise Judas’ Verrat und die Rolle des Pilatus.

Der zweite Teil besteht ausschließlich aus mehreren Schreiben des Statthalters Pilatus an seinen Bruder Titus nach Rom. Pilatus, allgemein bekannt als der Mann, der Jesus verurteilte und seine Hände in Unschuld wusch, schüttet dem geliebten Bruder in diesen Briefen sein Herz aus. Er berichtet von seinen Problemen und Gedanken im Zusammenhang mit der verschwundenen Leiche des gekreuzigten Jeshua. Er muss Nachforschungen anstellen, und die ganze Sache bekommt mehr und mehr den Anstrich eines Kriminalfalls. Pilatus hört von Jeshuas Auferstehung und wird mit verschiedenen Augenzeugen konfrontiert, versucht aber, die Angelegenheit rational und mit Vernunft anzugehen. Seine verzweifelten Bemühungen, diesen Fall ordentlich zu lösen, haben fast etwas Rührendes. Bei aller Skepsis gibt es da auch noch seine Ehefrau Claudia, die selbst zur Christin wird und deren Meinung er sehr schätzt.

Ohne die eigentliche Botschaft zu zerstören, vermittelt diese Version der Geschehnisse ganz andere Erkenntnisse. Vieles wird völlig neu betrachtet und hinterfragt. Altbekanntes, was man gewohnheitsmäßig als gegeben hinnimmt, erscheint plötzlich in einem anderen Licht, zum Teil auch logischer, da hier die jeweiligen Beweggründe angesprochen werden, was in den bekannten Evangelien für mein Empfinden manchmal zu kurz kommt. Mit Abstand zum vertrauten Wortlaut der Bibelgeschichten kann man neues Verständnis entwickeln. Ob gläubiger Christ, Skeptiker oder Agnostiker, fast jeder hat sich schon mit diesem Thema beschäftigt und sich seine eigenen Gedanken dazu gemacht. Wie es damals wirklich war, können wir nur erahnen. Die überlieferten Schriften haben nicht für alles eine Antwort parat, und heute sind wir teilweise auf Vermutungen und Theorien angewiesen. Glauben muss Fragen zulassen, und mit einer gewissen Offenheit findet man in Schmitts Fiktion auf jeden Fall neue, oft schlüssige Denkanstöße.

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